Handschriftliche Korrekturen sind heute selten: Zu sehen ist ein eleganter Kugelschreiber mit abgezogener Kappe.
Handschriftliche Korrekturen sind heute selten: Zu sehen ist ein eleganter Kugelschreiber mit abgezogener Kappe.
 

SCHWERPUNKTE

Der Gegenstand des Lektorats als Methode ist vielgestaltig, dabei aber doch immer ein Text: auf semantischer Ebene meist sinnhaft, durch wechselseitige Bezüge und ein spezifisches Ablaufschema strukturiert, manchmal auch bloß klanglich oder visuell einem Strukturprinzip oder Muster verpflichtet. Essays, Romane und Lautgedichte, Slogans oder Zutatenlisten, Manuals und Geschäftsverträge sind Ausdruck der textlichen Vielfalt, und sie alle folgen ihrer jeweils ganz eigenen Gestaltungslogik.

Ein klassisch komponierter Roman braucht Dramaturgie und klar konturierte Figuren, die den Geist der Lesenden bannen und eine mal kleiner, mal größer dimensionierte Weltfiktion erstehen lassen. Es gibt Raum, Zeit und Bezüge - einen Zusammenhang also, der in der Regel dicht und geschlossen komponiert sein sollte, aber - künstlerisch gewöhnlich unbeabsichtigt - auch löchrig, zweidimensional oder perspektivisch widersprüchlich wie eine Penrose-Treppe sein kann. Ein Gedicht hingegen soll nicht selten erst klingen, Assoziationen und Gefühle hervorrufen; Kognition dabei auf das Wesentliche, auf einfache Operationen beschränken, die es braucht, damit durch wenige klingende Worte große, flüchtige Bilder vor dem inneren Auge und intensive Empfindung im Innenraum der Seele entstehen. Kaum mal zeigt sich im Licht auch der breiteren Öffentlichkeit seit Beginn der Moderne Literatur, die ohne Auge und Hand eines professionellen Lektors oder einer Lektorin geworden ist, was sie ist.

 

Für die Wissenschaft gilt das so nicht, ein professionelles Lektorat ist hier nach wie vor nicht die Regel. Weil faire Honorare und die wirtschaftlichen Bedingungen des Universitätssystems schwer zu vereinbaren sind, aber auch weil nicht wenige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Sprache und Textgestaltung für ein leicht zu bedienendes Werkzeug halten.

Das Wissenschaftslektorat hat es mit einem Gegenstand zu tun, der sich meist kühl und nüchtern gibt: Monografien, die oft den Anforderungen eines Qualifizierungsformats unterworfen sind, daneben vor allem Themen- und Tagungsbände, Fachjournalartikel, Handbücher und Lexika, Gutachten, Anträge und Stellungnahmen. 

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